Willkommen auf unserer Homepage

 

 

P F I R B
Plattform Für InterReligiöse Begegnung

 

 

  Artikel / Texte


 

Erwin Neumann

 

 

INTERRELIGIÖSES FRIEDENSPROJEKT - ÖSTERREICH

Das Friedenspotential in den Religionen - Fördert oder behindert Religion den Frieden?

Erwin Neumann, Pfarrer der evangelischen Pfarrgemeinde Wien Gumpendorf, im Juni 2005

Die zunehmende Gewalt in unserer Gesellschaft und in der Welt gegen Mensch und Natur veranlasst immer mehr Menschen, über die Bekämpfung der Symptome hinaus, nach den tieferen, im Inneren des Menschen und in der menschlichen Gesellschaft liegenden Ursachen für dies Entwicklung zu fragen.

Viele erwarten dabei kompetente Antworten und Hilfestellungen von den Religionen. Geschichte und Gegenwart zeigen jedoch, dass Religionen nicht nur Frieden und Gewaltfreiheit, sondern auch Unfriede und Gewalt fördern. Es ist daher notwendig, hier genau hinzuschauen und zu differenzieren.

Es ist eine Binsenweisheit, dass der Friede im Menschen selbst beginnt.

Ein Mensch, der mit sich im Frieden ist, wird gewaltfreie Konfliktlösungen suchen. Ein in sich gestörter Mensch tendiert dagegen zu Gewalt - gegen sich und/oder gegen andere.

Wie entsteht nun der Unfriede im Menschen? Die erste Störung des inneren Friedens im Leben eines Menschen kann bereits mit der Entbindung von seiner Mutter entstehen. Die zweite wesentliche Störung mit der Entwicklung seines Bewusstseins (Verstandes), die ihn einerseits von seiner Mitwelt trennt (im Gegensatz zum Tier, das durch seinen Instinkt mit dieser verbunden bleibt) und ihm andererseits die Bedrohtheit und die Vergänglichkeit des Lebens bewusst macht. Um diese Trennung aufzuheben und die Angst durch Geborgenheit und Vertrauen zu überwinden entstand Religion, Rückbindung an das Ganze, an den Ursprung und das Wesen des Lebens.

Wie diese Rückbindung konkret geschieht, lässt sich gut am Verhalten Jesu, gegenüber Menschen, deren innerer Friede gestört ist, beobachten.

Jesus wendet sich denen, die sich ihm anvertrauen, liebevoll zu, heilt und befreit sie von ihren Störungen und bindet sie damit zurück an Gott, stellt die ursprüngliche Einheit wieder her.

Religionen, wie wir sie heute kennen, lassen dieses heilende und befreiende Friedenspotential oft vermissen, sind oft festgelegt durch Dogmen und Tabus. So wird Religion zur Konfession eingeengt, das heißt, zu einem Bekenntnis einer bestimmten Glaubenslehre, die von jungen Mitgliedern auswendig gelernt und aufgesagt werden muss. Statt der persönlichen Vertrauensbeziehung zu Gott auf der Basis einer spirituellen Gemeinschaft wird eine allgemeinverbindliche Heilslehre mit speziellen Heil- und Hilfsmitteln und eine Institution mit Kadern und Hilfskräften wichtig, die diese Heil- und Hilfsmittel herstellen, pflegen, verwalten, vermitteln und verkaufen.

Wenn Religionen heute als Friedensstifter ernst genommen werden wollen, müssen sie sich in erster Linie mit ihren Grundlagen auseinandersetzen und in der Rückbindung an den Grund und Ursprung des Lebens immer wieder neu ihr Friedenspotential entwickeln.

 
Zurück zur Startseite