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Plattform Für Interreligiöse Begegnung

 

 

  Archiv / Podiumsdiskussionen

 


 

Religionen im Brennpunkt

„Religiöse Erziehung und Gewalt“

 

Großes Friedenspotential in Religionen

Podiumsdiskussion im Wiener Rathaus

 

Zusammenfassung von Alex und Otti Käfer

 

Wien – Jede Religion trägt in ihrem Kern ein großes Friedenspotential in sich; doch oft wurde Religion zur Legitimierung von Gewalt missbraucht. Das war der Tenor einer Podiumsdiskussion von Angehörigen verschiedener Religionen über „Religiöse Erziehung und Gewalt“, die im Rahmen der Wiener Vorlesungen am 16. Februar 2011 im Wiener Rathaus stattfand.

 

Louise Hecht - Elmar Türk - Zeynep Elibol - Christoph Örley - Ursula Baatz - Heribert Bastel - Neda Forghani - Adolf Holl

 

Das Religiöse sei nichts anderes, als „die ungeheure Anstrengung, den Frieden aufrecht zu erhalten“, sagte Dr. Adolf Holl, Wiener Religionssoziologe und Buchautor, in seinem Eingangsstatement unter Hinweis auf den französischen Kulturanthropologen René Girard. Der Zusammenhang zwischen religiösen Institutionen und der Gewaltbereitschaft sei  kulturgeschichtlich seit dem Ende der letzen Eiszeit evident, und zwar im altertümlichen Opferwesen, doch aus heutiger Sicht fragwürdig. Die Kriege der vergangenen Jahrhunderte seien entmythologisiert worden. „Selbst die bösartigsten Religionskriege sind wie ein Kinderspiel verglichen mit den Gräueltaten eines Hitlers, Stalins und Mao Tsetungs und bedurften keiner religiösen Legitimation“, so Dr. Holl. 

 

„Es ist nicht die Religion, der die Gewalt inhärent ist, sondern die Institution“, sagte Dr. Louise Hecht, Judaistin an der Universität Olmütz, und brach eine Lanze für die Aufklärung. Diese habe ja nicht die Abschaffung der Religion beabsichtigt, sondern nur deren Begrenzung. Es gehe um Abschaffung des Gewaltmonopols einer Religion zugunsten eines demokratischen Staates. Sie verwies auf die Forderung des deutsch-jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn (1729-1786), der jüdischen Gemeinde das Recht des Bannes zu entziehen. Denn ein derartiges Erziehungsmittel würde Druck und Gewalt auf die jüdischen Mitglieder ausüben. Der säkulare Staat sei am idealsten für die Entwicklung von Religionen, wie das Beispiel der USA beweise.

 

Er kenne das Spannungsfeld zwischen Religion und Institution recht gut, sagte Mag. Elmar Türk, Mitglied der buddhistischen Windhorse Gesellschaft. Selbstverständlich gebe es eine Institutionalisierung im Buddhismus. Auch die Tradition des Lehrer-Schüler-Verhältnisses sei institutionalisiert; und es gebe auch hier manches Mal Probleme, wenn sich der Lehrer nicht an Grenzen gegenüber seinem Schüler halte. Doch sei Gewaltfreiheit der buddhistische Weg.

 

„Religion und Gewalt sind nicht identisch.“

 

Die römisch-katholische Kirche habe es bei diesem Thema nicht leicht, räumte Mag. Dr. Heribert Bastel, Institutsleiter an der Kirchlichen  Pädagogischen Hochschule Krems, ein. „Ich glaube nicht, dass Religion und Gewalt identisch sind“, betonte er. Es gebe aber eine Spannung zwischen Gewaltlosigkeit und Gewalt, da sich für beide Verhaltensweisen Motive im Alten wie dem Neuen Testament fänden. Je pluralistischer eine Gesellschaft werde, um so mehr müsse sie sich fragen: Woher nehmen wir die Werte? Es seien die Religionen, die verbindende Werte bieten. Es gehe um das Offensein für Transzendenz, für Fragen wie: woher komme ich, wohin gehe ich?

 

Der Islam habe sehr viel mit Spiritualität zu tun, betonte Mag. Zeynep Elibol, Leiterin der islamischen Fachhochschule für soziale Berufe in Wien, und grenzte somit den Islam entschieden vom Terrorismus ab. „Wenn man dem Islam die Spiritualität nimmt, folgt Radikalität“, gab sie zu bedenken. Sie wolle nicht in einem derartigen Gottesstaat leben. Es gehe um Werte wie z.B. die Gleichwertigkeit der Geschlechter, woran allerdings noch zu arbeiten sei. Der Islam biete Wege und Lehren auch zur Prävention von Gewalt verwies sie u.a. auf das Prinzip der „Beratung untereinander“, wozu der Koran (Sura 42, Vers 39) auffordere.

 

Religionen können helfen, sich nicht mitreißen zu lassen von manipulierenden Strömungen von Medien, meinte Mag. Christoph Örley, evangelischer Religionspädagoge. Er erlebe, wie viele seiner Schüler und Schülerinnen medial überfüttert und überfordert seien. Daher bemühe er sich in seinem Unterricht um eine kritische Reflexion des Themas Gewalt.

 

Ein neues Gesellschaftsmodell

 

Der Mensch sei von Geburt aus gut und besitze wertvolle Eigenschaften, die durch Erziehung entfaltet werden sollen, verwies Dr. Neda Forghani, Lektorin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien, auf das positive Menschenbild der Bahá’í-Religion. Bahá’í führen weltweit Erziehungs- und Ausbildungsprogramme für Kinder und Jugendliche durch. Damit solle soziales Engagement gefördert und den Heranwachsenden geholfen werden, die von der Gesellschaft aufgezwungene Passivität abzuschütteln.  Sie verwies ferner auf die Bahá’í-Gemeindeordnung als neues Gesellschaftsmodell: Es gibt keine Priester, die Mitglieder der örtlichen und nationalen Verwaltungsgremien werden alljährlich demokratisch in geheimer Wahl und ohne Aufstellung von Kandidaten und in Gebetsstimmung gewählt. Dadurch werde verhindert, dass Einzelne eine Machtposition einnehmen. 

 

Die von der bekannten ORF-Journalistin Dr. Ursula Baatz moderierte Veranstaltung zählte über 400 BesucherInnen und wurde von der Plattform für interreligiöse Begegnung – PFIRB mitorganisiert. 

 


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